Leider gehöre ich nun nicht mehr zu den Leuten, die Abmahnungen im Auftrag der Musikmafiaindustrie nur als foaf-Geschichte kennt. Nein, jetzt bin ich ein betroffener: Eine Freundin erhielt neulich eine Abmahnung nebst Rechnung und strafbewehrter Unterlassungerklärung in vierstelliger Höhe, weil von ihrer IP Adresse ausgehend vor einigen Monaten angeblich irgendein Musikalbum im Internet zum Download angeboten wurde.
Natürlich, meiner Ansicht nach sind die ausführenden Abmahn-“Anwälte” die Aussätzigen der Branche, die widerwärtigen Krebsgeschwüre des Rechtswesens, sozusagen die Schmeißfliegen auf dem Abfall der Musikindustrie, aber das ändert leider erstmal nichts daran, dass sie wohl grundsätzlich diese (moralisch zwar absolut verwerfliche, aber dennoch augenscheinlich nicht illegale Variante) einer “Massen-Erpressung” unbehelligt durchführen können.
Man könnte natürlich darüber philosophieren, auf welcher rechtlichen Grundlage die Provider die Verbindungsdaten (die sie gar nicht sammeln müssten, da sie bei Flatrate-Kunden ja nicht abrechnungsrelevant sind) die personenbezogenen Daten ihrer Kunden für dieses verabscheuenswürdige Tun zur Verfügung stellen, aber darum soll es hier ebenfalls nicht gehen.
Was ich mich frage, ist folgendes:
Die “Anwälte” setzen sich also vor ihre Filesharing Programm und lassen sich von irgendwem erklären, wie sie da herausfinden können, wer denn nun das neue …. um es neutral zu halten sagen wir mal …. “No Furcareymann” Album anbietet. Irgendein willfähriger Handlager schreibt ihnen auf, wo sie klicken müssen und das tun sie fortan auch.
Nun finden sie das Album auf tausenden von Rechnern und schreiben alle IP Adressen auf. Ein weiterer willfähriger Handlanger findet dann heraus, welche davon wohl aus Deutschland stammen und kürzt die Liste entsprechend, vielleicht schreibt er ihnen sogar daneben, wen man jeweils nach den Namen und Adressen fragen muss, die zu den IP Adressen gehören. Dann wird nachgefragt und schon ist das Erpresserschreiben der Brief so gut wie unterwegs.
OK, bis dahin frage ich mich eigentlich noch gar nichts. Aber jetzt:
Ob die wohl nachweisen müssen, dass die Datei “nofurcareymann welcomeboyrootslive komplett.zip” tatsächlich das neueste Machwerk eben jener “Musiker” ist? Es könnten ja auch die gesammelten Urlaubsbilder der letzten vier Jahre sein, verpackt in ein Archiv mit kreativer Namensgebung.
Wenn wir davon ausgehen, dass sie das schon irgendwie zeigen müssen, dann könnten sie den Kram natürlich runterladen, auspacken, anhören (da hab ich übrigens absolut kein Mitleid) — und dann bei allen weiteren Archiven anhand einer Prüfsumme feststellen, ob es sich um die gleichen Archive handelt. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, ob P2P-Programme Checksummen anbieten, aber es wäre recht naheliegend, etwas derartiges zu implementieren.
Dem schliesst sich direkt die Frage an:
Müssen sie nachweisen, dass sie das GANZE Archiv vom Rechner ihrer Zielperson heruntergeladen haben? Das könnte schon aufwendiger werden, liegt doch eine Kernfunktionalität von P2P Programmen darin, das Herunterladen von mehreren Rechnern gleichzeitig zu ermöglichen. Dieses Verhalten könnte man natürlich technisch einschränken und den Download tatsächlich nur auf einen Rechner beschränken, da wären die Abmahn-“Anwälte” dann schon ein Weilchen beschäftigt. Es könnte auf jeden Fall interessant sein, im Einzelfall mal kritisch nachzufragen, wie sie diesen Prozess durchgeführt und hoffentlich dann auch verwertbar dokumentiert haben.
Zunächst interessiert mich also, ob diese “Anwälte” vor Gericht nachweisen müssen, dass sie ein komplettes Archiv von einem einzigen Rechner heruntergeladen haben und dass es sich bei diesem Archiv tatsächlich um das Album eines Künstlers handelte, dessen EigentümerMusikverlag sie vertreten.
Falls das so sein sollte (was ich stark hoffe, wobei man sich in diesen Dingen auf sein Rechtsempfinden ja nun wirklich nie verlassen sollte), dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis jemand eine P2P Software zusammenbaut, die stets dafür sorgt, dass auf jedem Rechner nur Teile eines Archives vorgehalten werden. Technisch gesehen ist das ein triviales Problem.
OK, der erste Anbieter wäre dabei irgendwie der Dumme, aber wenn die Software sich danach mit ihren Peers unterhielte und dabei einigermassen intelligent koordinierte, wer welche Teile vorhalten soll, könnte sich das Nachweisverfahren (“Sie haben das Album <wie auch immer> im Internet zum Download angeboten!”) als ziemlich schwierig (um es mal euphemistisch auszudrücken) erweisen.
IANAL, juristische fundierte Meinungen dazu sind äußerst willkommen.
darf ich vorher mein Studium beenden…. bitte…..
Also ich bin mir sicher, dass P2P Software bereits Fragmente zum Download zur Verfügung stellt. Und die Steuerung läuft definitiv über Hashes.
Aber egal, hier gehts ja um das parasitäre Verhalten von vermutlich nicht technikaffinen Juristen (nach Maklern und Versicherungsvertretern eine weitere Berufsgruppe schlimm wie die Pest).
Es interessiert mich sehr, wie der Fall jetzt weitergeht. Schaltet Deine Freundin jetzt ebenfalls nen Anwalt ein? Halt uns auf dem Laufenden!
Also – Anwalt ja, von Internetrecht aber keine Ahnung. Das nur vorweg.
Ich denke, dass die Tatsache, dass auf dem Server/Rechner der Person x, der zur IP-Adresse gehört, eine Datei mit dem Namen eines solchen Albums liegt, als sog. Beweis des ersten Anscheins ausreicht, den dann der (an sich nicht beweispflichtige) Eigentümer des Rechners erschüttern muss. Das könnte er zum Beispiel, in dem er eine Datei diesen Namens vorlegt, in deren Eigenschaften nützlicherweise auch verzeichnet ist, dass sie sich zum besagten Datum auf dem Rechner befunden hat. Weisen die bösen Anwälte nun aber nach, dass dies eine nachträglich erstelle Datei ist … dann könnte das auch böse strafrechtliche Konsequenzen haben.
Viel pragmatischer, was ich selbst in ähnlicher Situation auch bereits gemacht habe: Ich gebe die erbetene Unterlassungserklärung ab (die ich dann tunlichst auch befolgen sollte), streiche aber den Teil mit der Kostenübernahme. Dazu teile ich mit, dass ich mir keiner Schuld bewusst sei und dementsprechend keine Veranlassung für die Kostenübernahme sehe.
Eigentlich ist damit dann meisten Schluss.